Einen jagdlich ambitionierten Hund zu haben ist nicht immer einfach. Im Alltag muss auf vieles verzichtet werden. Spaziergänge sind immer mit Frust verbunden, weil der Hund nicht abgeleint werden darf und vielleicht auch noch ständig in die Leine springt. Aber auch aus der Perspektive des Hundes ist es nicht wirklich schön in unserer Umwelt jagdliche Ambitionen zu haben. Der Hund erlebt im Alltag immensen Frust:
- Sein Hobby wird unterbunden durch die Leine,
- Er darf sich nie bewegen, wie er möchte, da er immer angeleint ist.
- Frauchen oder Herrchen sind sauer, sobald ein Anzeichen Jagdverhalten gezeigt wird.
- Er ist geistig oft komplett unterfordert.
- Er spürt kein Vertrauen seitens seiner Besitzer.
Diese Punkte treffen auf die meisten Jagdhunde zu, die dazu verdammt sind, ihr Leben an der (Schlepp-) Leine zu verbringen.
Und jetzt mal ganz ehrlich einen Hund ohne Jagdverhalten gibt es nicht. Hunde werden aufgrund ihrer ursprünglichen Aufgabe in unterschiedliche Rassegruppen unterteilt. Doch dabei wird oft eines vergessen: Jede dieser Aufgaben basiert auf jagdlichem Verhalten. Jagdverhalten beginnt nicht erst mit dem Hetzen hinter einem Wildtier, sondern beinhaltet viel mehr. Es gibt die so genannte Jagdverhaltenskette:
- Suchen nach Spuren oder Witterung
- Orten: Spuren bzw. Witterung verfolgen bis zum Wild
- Fixieren in Kombination mit Verharren und Anschleichen
- Hetzen
- Packen
- Töten
- Zerreißen
- Wegtragen
- Fressen
Und mindestens bei einem Punkt finden wir alle unsere Hunde wieder: Fressen. Wenn wir jedoch genauer hinsehen, erkennen wir in dieser Verhaltenskette die ursprünglichen Aufgaben unserer Rassegruppen: Hütehunde müssen die Herdentiere fixieren, anschleichen und auch manchmal hetzen, damit sie nicht verloren gehen; Treibhunde sollten Vieh packen und hetzen, damit auch diese bei der Herde bleiben; Herdenschützer sollen Fremdtiere fixieren, hetzen und packen. Somit zeigt jeder Hund Jagdverhalten.
Und das wundervolle an dieser Verhaltenskette ist: Jeder einzelne Punkt ist genetisch so fest verankert, dass er selbstbelohnend ist. Wir Menschen haben sogar so tief in die Genetik eingegriffen, dass wir bei bestimmten Hunderassen Elemente der Kette weiter hervor gezüchtet haben, wie zum Beispiel das Fixieren beim Border Collie. Und genau diese Kettenelemente sind so selbstbelohnend, dass da kein Leckerchen der Welt gegen ankommt. Noch schlimmer machen wir es als Hundebesitzer sogar oft im Welpen- und Junghundealter: Wir freuen uns, wenn unser süßen kleinen Hunde Jagdverhalten gegenüber ihrem Spielzeug zeigen. Seien es Fixierspiele oder gar Hetzspiele hinter einem Ball her.
Dabei wird nur oft vergessen, dass Spielverhalten, sowohl beim Menschen als auch beim Hund, Lernen für das ernste Leben ist. Ihr erinnert euch vielleicht, wie ihr oder eure Kinder früher „Vater, Mutter, Kind“ gespielt habt? Das ist Lernen für das Leben. So funktioniert das Lernen auch beim Hund: wir spielen hetze dem Ball hinterher, der Hund lernt: Bälle zu hetzen ist toll. Da kommt das Problem: Hunde sind in solchen Sachen wirklich gut im generalisieren, also übertragen von einer Situation auf andere. Der Hund lernt also nicht: Bälle hetzen ist toll, sondern: hetzen ist toll. Wenn unser Hund dann irgendwann zwei Jahre alt ist, wundern wir uns warum wir ihn trotz super Rückruf nicht aus einer Hatz abrufen können. Schlimmstenfalls hat unser Hund mit der Hatz jetzt auch noch Erfolg. Dann ist nicht nur die Hatz selbstbelohnend, sondern die Belohnung „totes Tier“ kommt noch dazu.
Jetzt kann man meinen: ok, ich lasse meinen Hund keine Bälle hetzen, immer an der Leine, so dass er keinen Erfolg hat, also wird er auch nicht jagen. Leider falsch. Außer der Umwelt, also gelerntes Verhalten, gibt es noch den Punkt der Genetik. Jeder Hund bringt da eine andere Grundlage mit. So kann es sein, dass ein wirklicher Rassejagdhund überhaupt keine jagdlichen Ambitionen hat. Glück gehabt! Bedauerlicherweise geht es auch andersrum. Genetik spielt hier sogar so eine große Rolle, dass ein Hund, der niemals spielerisch Jagdverhalten gelernt hat, bei einem aufspringenden Kaninchen in die Hatz geht oder bei einer gefundenen Wildspur in das Orten des Wilds.
Was kann man also machen? Ganz einfach: Trainieren. Dabei sollte man allerdings immer im Kopf behalten: Jagdverhalten lässt sich nicht abtrainieren, aber es kann eine Kontrollierbarkeit erreicht werden. Dazu gehört ein guter Grundgehorsam, ein hervorragender Rückruf, regelmäßiger Freilauf und auch artgerechte Beschäftigung als Ausgleich. Hier eine kurze Erklärung der Trainingsschwerpunkte:
- Grundgehorsam: Mein Hund führt Kommandos aus, die ich ihm beigebracht habe. Das sollte er in verschiedenen Situationen und an verschiedenen Orten können. Gerne auch mal auf Distanz.
- Rückruf: Mein Hund kommt immer, wenn ich ihn rufe. Darauf würde ich 1000€ verwetten.
- Freilauf: Hunde müssen sich regelmäßig frei bewegen können. Dazu gehört nicht der Auslauf an einer Schleppleine, sondern ein wirklich freies Laufen auf freier Fläche.
- Artgerechte Beschäftigung (einige Beispiele):
- Hütehunde (z.B. Aussie, Border Collie, Cattle Dog): Longieren (Kreise um die Herde), Fixierspiele, Hüten
- Windhunde: Laufen auf möglichst großen Flächen
- Bracken (z.B. Beagel, Basset): Schnüffelspiele, Fährtenarbeit
- Vorstehhunde (z.B. Münsterländer, Pointer): Suchspiele mit Anzeigeverhalten
- Stöberhunde (z.B. Spaniels): Suchspiele, Apportieren
- Retriever (z.B. Labrador, Flat Coated Retriever): Apportieren
Diese Punkte führen dazu, dass wir unseren jagdlich ambitionierten Hunden ein viel schöneres Leben bieten können ohne dauerhaften Frust.